Sechs Ratschläge für heutige Studienanfänger

In diesem Beitrag möchte ich aktuellen Studienanfängern sechs Ratschläge geben, die den Einstieg in das Hochschulleben ein wenig vereinfachen. Diese Ratschläge sind insb. an Studenten gerichtet, deren letzte Ausbildung die Schule war.

Die erste, unausweichliche Tatsache, mit der man im Studium konfrontiert wird lautet: Man muss selbst etwas tun. Was glücklicherweise noch für die Mehrzahl an Studenten vollkommen selbstverständlich ist und keiner weiteren Diskussion bedarf, scheint heutzutage mehr und mehr andere Studenten ernsthaft zu überraschen.
Beim Studieren trainieren Sie Ihren Körper, genauer ihr Hirn, ganz ähnlich wie ein Sportler sein Herz, seine Lunge und seine Muskeln trainiert. Dabei gilt in beiden Fällen die Grundregel: Je mehr Sie bereit sind, selbst etwas für ihren sportlichen oder geistigen Erfolg zu tun, desto größer wird dieser Erfolg am Ende auch sein.

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Natürlich gibt es im Leistungssport andere Personen, die einem dabei helfen. Ein Trainer hilft dem Sportler dabei, besser in seiner Sportart zu werden. Aber ein Trainer nimmt dem Sportler nicht seine Arbeit ab. Das kann er auch gar nicht. Wie sollte das funktionieren? Der Trainer macht 20 Klimmzüge und der Bizeps des Sportlers wird größer? Der Trainer hat immer nur leitende, unterstützende und beratende Funktionen und gibt Hinweise, wann und wie man sich am besten bewegen sollten um das sportliches Ziel möglichst schnell oder möglichst gut zu erreichen.

 


Die Dozenten der Otto-von-Guericke Business School Magdeburg sind die Trainer in der „Sportart“ BBA, MBA und Wirtschaftspsychologie. Wir stellen Ihnen bestimmte Ideen und Konzepte vor, leiten und beraten Sie, wie sie diese besser verstehen können, wir versorgen Sie mit zielgerichteten Übungen und wir messen am Ende ihre Leistung mit einer Klausur.
Was wir aber nicht können ist „für sie studieren“, also das Skript durcharbeiten, sich Notizen machen, Probleme identifizieren, Literatur suchen, Passagen daraus lesen, Übungsaufgaben durchrechnen usw.


Ratschlag 1: Just do it. (Yourself)
Nutzen Sie beim Studieren so oft es geht die Hilfe und Unterstützung von Dritten (Dozenten, Kommilitonen, Eltern, großer Bruder usw.). Behalten Sie aber im Hinterkopf: All diese Personen können immer nur die Beraterrolle einnehmen. Studieren müssen Sie selbst. Die zweite Tatsache, mit der alle Studenten gleichermaßen konfrontiert werden lautet: Hochschule ist nicht eine (weitere) Schule! Das bedeutet insbesondere, wenn Sie die zum Studieren notwendige Arbeit nicht machen (aus welchen Gründen auch immer), interessiert das an einer Hochschule grundsätzlich niemanden. Kein Dozent wird von sich aus kontrollieren, ob oder wie gut Sie die Vorlesung nachbereitet haben, oder ob Sie die empfohlene Textpassage aus dem Lehrbuch wirklich gelesen haben. Kein Dozent wird Sie böse anschauen oder ermahnen, wenn offensichtlich ist, dass Sie dies nicht getan haben. Kein Dozent führt ein Klassenbuch oder schreibt einen ermahnenden Brief an Ihre Eltern. Es gibt keine Anwesenheitspflicht, keine Elternabende, keine Entschuldigungsschreiben oder die Notwendigkeit, sich Ausreden einfallen zu lassen, wenn man zu spät kommt. Alles was Sie für ihr Studium tun oder nicht tun geschieht zu 100% eigenverantwortlich, ohne jegliche Rechenschaftspflicht (diese haben Sie allenfalls ggü. ihrem Financier (Eltern, Arbeitgeber o.ä.).


Ratschlag 2: Verwechseln Sie Hochschule nicht mit Schule
Aus dem „lernen müssen“ wird ab sofort ein „lernen dürfen“. Diese „neue Freiheit“ bedeutet, dass sie selbst darüber bestimmen können, aber auch gewissenhaft darüber nachdenken sollten, was gut und was schlecht, was richtig und was falsch für Sie ist. Ein Wissenschaftler sucht gezielt nach den „Black-Boxes“ seiner Disziplin, um sie dann zu erforschen. Ein Wissenschaftler hat keine Angst vor der Komplexität dieser Welt, sondern respektiert sie und sieht eine Auseinandersetzung mit ihr als seine Herausforderung, seine Bestimmung. Wissenschaft bedeutet, permanent neugierig zu sein und einen inneren Drang zu haben, Fragen zu stellen und darauf die Antworten zu finden. In jedem Studium kommt man nicht nur in Kontakt mit Wissenschaft sondern lebt auch ein wenig die Philosophie eines Wissenschaftlers. Konkret sind damit gleich mehrere Ratschläge verbunden.


Ratschlag 3: Intrinsische Motivation
Die Frage „Warum ist das so?“ sollte im Studium einen allgegenwärtigen Antrieb und nicht eine Bremse darstellen. Bleiben Sie immer „wissenshungrig“, denn Lernen ist der Wesenskern des Studierens. Je mehr Sie diese Eigenschaft mitbringen oder erlernen, desto leichter wird ihnen Ihr Studium fallen und desto größer werden Ihre Erfolgserlebnisse sein.


Ratschlag 4: Bringen Sie sich ein
Gestalten Sie Ihren Studienalltag aktiv. Das etwas antiquierte Lehrformat der klassischen Vorlesung verleitet leider sehr leicht dazu, sich passiv „berieseln“ zu lassen – erst recht, wenn diese in einer sehr großen Gruppe und sehr früh morgens oder sehr spät abends stattfindet. Dagegen aktiv anzuarbeiten ist manchmal schwierig, aber sehr wichtig. Sind sie erst einmal im „Berieselungsmodus“ angekommen, bleiben Sie auch für den Rest der Veranstaltung darin. Sie sind dann mit ihren Gedanken komplett woanders und der Wissenstransfer ist gleich Null. Gute Dozenten geben Ihnen immer die Gelegenheit, die Veranstaltung zumindest ein wenig interaktiv mitzugestalten, und seien es nur kleine Redepausen für Fragen und Diskussionen. Nutzen Sie jedes dieser Angebote. Dazu zählen neben der Vorlesung, indiv. Sprechstunden oder elektr. Diskussionsforen (insb. Moodle).

Ratschlag 5: Haben Sie Mut zu Fehlern
Ein Studium hat für viele auch etwas mit Selbstreflexion und der Weiterentwicklung der eigenen Persönlichkeit zu tun. Vermeidungsstrategie und Rückzug in die hinterste Ecke des Hörsaals sind in jedem Fall keine gute Idee, wenn Sie studieren wollen. Das wäre so, als wollten Sie schwimmen lernen aber ohne nass zu werden. Haben Sie keine Angst, Fehler zu machen oder Schwächen zu offenbaren. Im Gegenteil: Fehler sind der perfekte Mechanismus, um eigene Baustellen zu identifizieren und anzugehen. Je früher Sie eigene Fehler zulassen und dazu nutzen, sich weiterzuentwickeln, desto wahrscheinlicher ist es, dass Sie diese Fehler am Semesterende in der Klausur und am Studienende in der Verteidigung Ihrer Abschlussarbeit nicht mehr machen.


Ratschlag 6: Mathe ist ihr Freund!
Viele werden jetzt reflexartig denken: „Wie bitte? Also meiner ganz bestimmt nicht!“ Das liegt aber nur daran, dass in der breiten Bevölkerung vollkommen missverstanden wird, was Mathe eigentlich ist. Das geht im Übrigen vielen Wissenschaften so. Ökologie hat nichts mit „Naturschutz“ oder „Umweltfreundlichkeit“ zu tun und Psychologie bedeutet nicht, dass man sich auf ein rotes Sofa setzt und Fragen beantwortet.
Mathematik ist nicht das Rechnen und auch nicht das Umformen von Gleichungen. Wäre das so, wäre jeder, der einen Taschenrechner bedienen kann ein hervorragender Mathematiker. Hans-Magnus Enzensberger hat einmal sehr treffend gesagt: „Mathematik ist die Kunst, das Rechnen zu vermeiden!“ Was damit gemeint ist, hat einer der größten Mathematiker aller Zeiten, Carl Friedrich Gauß, bereits in seiner Grundschule gezeigt. Sein Lehrer wollte sich vermutlich einmal eine Auszeit gönnen und stellte den Kindern daher folgende Aufgabe: „Rechnet die Summe aller ganzen Zahlen von 1 bis 100 aus“. Und die Kinder begannen zu rechnen „1+2 = 3, 3+3=6, 6+4=10, 10+5=15 …“. Noch bevor es sich der Lehrer aber gemütlich machen konnte, hatte der kleine Carl-Friedrich bereits die Antwort parat: 5050. Warum? Er hat Mathematik betrieben. Er hat versucht, die Dinge zu vereinfachen bzw. das Rechnen zu vermeiden. Für ihn war schnell klar, dass eine äquivalente Formulierung der Aufgabe existiert, die deutlich einfacher zu lösen ist: Bilde die Summe 1+100 + 2+99 + 3+98 + … + 50+51 die aus 50 Teilsummen mit jeweils dem Wert 101 besteht. Somit ist die Lösung 50 mal 101, also 5050, oder verallgemeinert für n beliebig viele aufzusummierende Zahlen: n/2 * (n+1). Diese Formel ist bis heute als „Der kleine Gauß“ bekannt.
Warum ist das für Sie relevant? Weil Mathematik auch Ihr Studium einfacher machen und Ihnen viel Zeit sparen kann: Versuchen Sie doch einmal spaßeshalber und ohne Mathematik im eigentlichen Sinne (d. h. Sie dürfen Rechnen) den heutigen Gegenwert einer gleichhohen, periodisch immer wiederkehrenden Zahlung unter Berücksichtigung von Zins und Zinseszins auszurechen (sog. ewige Rente). Ohne Mathematik wären Sie damit niemals fertig, da Sie unendlich viele positive Zahlen aufaddieren würden. Ohne Mathematik würden Sie vermutlich auch denken, die Lösung müsse doch unendlich sein, da Sie ja unendlich viele positive Zahlen aufaddieren. Nur Mathematik liefert Ihnen die richtige, endliche und erstaunlich einfache Antwort: Die Höhe der gleichbleibenden Zahlung geteilt durch den Zinssatz.
Und Zeit ist für viele Studenten der limitierende Faktor, insbesondere in einer Klausur. Mehr Zeit gibt Ihnen immer auch einen zusätzlichen psychologischen Vorteil in Form von weniger Nervosität und Stress und somit eine geringere Fehlerrate. Zugegeben, die Fähigkeit „Mathematik“ zu erlernen, erfordert einige Voraussetzungen. Und es sind fast immer diese Voraussetzungen, mit denen viele hadern - nicht die Mathematik selbst. Dazu gehört insbesondere das Vokabeln lernen, wie bei einer Fremdsprache. Was bedeutet beispielsweise die Aussage: formel

Wenn man keine mathematischen Vokabeln paukt, versteht man die Aussage nicht. Genauso versteht man die Aussage
万事开头难 nicht, wenn man keine chinesischen Vokabeln paukt. Des Weiteren erfordert Mathematik, dass Sie das Regelwerk kennen, gemäß dem Sie mathematische Aussagen so formulieren, dass die Verknüpfungen von Aussagen Sinn ergeben und in sich konsistent sind. Auch das Erlernen dieser „Grammatik“ der Mathematik erfordert von dem einen mehr und von dem anderen weniger Fleiß, ist aber für niemanden unmöglich. Das Erlernen der Fähigkeit „Mathematik“ unterscheidet sich da nicht so sehr von anderen Fähigkeiten, wie Fahrradfahren oder Fussballspielen.

Der wichtigste Hinweis lautet schließlich: Geben Sie niemals auf.
Die Früchte Ihrer Arbeit ernten Sie, wenn Sie Ihren Abschluss in den Händen halten!

In diesem Sinne: VIEL ERFOLG!