Öko-Label im Transportsektor: Eine Lösung für nachhaltigen Güterverkehr

arne heinold 2 copy copy copyIn einer sich wandelnden Welt, die mit den fortschreitenden Auswirkungen des Klimawandels und einer internationalen Energiekrise konfrontiert ist, rücken nachhaltiges Handeln immer weiter in den Fokus von Logistikunternehmen. Der Personen- und Gütertransport ist maßgeblich an der Entstehung klimarelevanter Emissionen beteiligt und somit von großer gesellschaftlicher Bedeutung. Insbesondere landgebundene Verkehrsmittel wie Lastkraftwagen und Züge spielen eine entscheidende Rolle im Güterverkehr in Europa. Umweltorientierte Lösungen für diesen Bereich haben somit direkte Auswirkungen auf die Erreichung der Klimaziele.

Maßnahmen zur Reduktion von Transportemissionen

Die Europäische Union hat bereits in den vergangenen Jahren Maßnahmen ergriffen, um Emissionen zu reduzieren. Der EU-weite Emissionshandel wurde 2005 eingeführt und im Jahr 2021 mit dem nationalen Emissionshandel ausgeweitet. Dieser Mechanismus erfordert den Erwerb von Zertifikaten für die Verwendung bzw. Einfuhr fossiler Treibstoffe und bietet somit einen Anreiz für emissionsarme Verkehrsmittel. Weitere regulatorische Maßnahmen wie Dieselfahrverbotszonen beeinflussen ebenfalls direkt Unternehmen der Verkehrswirtschaft, Verbraucher*innen sind jedoch nur indirekt betroffen.

In diesem Kontext habe ich in meiner Forschung untersucht, wie Emissionen beim Transport von Gütern transparent dargestellt werden können und wie sich dieses auf die Entscheidungen in Logistikunternehmen auswirkt. Eine vielversprechende Lösung besteht in der Einführung von Öko-Labels, die die Emissionen für Sendungen anhand von Farben wie Grün, Gelb, Orange und Rot anzeigen. Diese Labels haben das Potenzial, den Güterverkehr nachhaltiger zu gestalten und somit zur Reduzierung von Emissionen beizutragen.

Berechnung und Verteilung von Emissionen im Transport

Die Ermittlung von Öko-Labels für Sendungen erfordert eine zuverlässige Abschätzung der Emissionen, die durch den Transportprozess verursacht werden. Dies stellt eine komplexe Aufgabe dar, da die verursachten Emissionen von einer Vielzahl operativer Faktoren und Entscheidungen der Logistikunternehmen abhängen, wie beispielsweise die Verfügbarkeit von Fahrzeugen und die Konsolidierung von Gütern. Zwei Aspekte sind dabei besonders relevant: die Ermittlung der Emissionen eines einzelnen Verkehrsmittels und die Aufteilung der Emissionen auf die einzelnen Sendungen, die gemeinsam transportiert werden. Meine Forschung hat sich mit beiden Aspekten beschäftigt.

Da die Emissionen von einem Verkehrsträger in der Regel nicht direkt gemessen werden können, werden Modelle zur Schätzung des Energieverbrauchs verwendet. Aus dem Energieverbrauch lassen sich dann die Emissionen ableiten. Dabei spielen verschiedene Faktoren wie Geschwindigkeit, Gewicht und zurückgelegte Strecke eine wichtige Rolle. Auch die Form der Energieerzeugung, beispielsweise für den Strom, der für den Zugantrieb benötigt wird, ist relevant und muss berücksichtigt werden. Ein in Praxis weit verbreitetes und DIN-zertifiziertes Modell ist das EcoTransIT World-Modell. Auf der zugehörigen Website ist die Methodik ausführlich dokumentiert und das Modell kann mit der Eingabe von wenigen Parametern getestet werden.

Nach der Ermittlung der Emissionen eines Verkehrsträgers müssen diese auf die einzelnen Sendungen umgelegt werden. Dieser Schritt ist besonders relevant, wenn mehrere Sendungen gemeinsam mit einem Verkehrsmittel transportiert werden, wie es beispielsweise im Bahnverkehr der Regelfall ist. Die DIN 16258 beschreibt verschiedene Methoden, bei denen die Emissionen im Grundsatz relativ zu den Tonnenkilometern verteilt werden, also dem Produkt aus der Frachtmenge (in Tonnen) und der zurückgelegten Entfernung (in Kilometern). Die Frachtmenge kann aber auch durch andere Einheiten wie Volumen oder Paletten ausgedrückt werden. Die Möglichkeit die Verteilungsmethode innerhalb bestimmter Grenzen frei wählen zu können, kann einen erheblichen Einfluss auf die für eine Sendung ausgewiesenen Emissionen haben. In einer Simulationsstudie konnte gezeigt werden, dass ein bestimmter Emissionswert pro Sendung (und somit das Öko-Label) allein durch die "optimale" Wahl der Verteilungsmethode erreicht werden kann, ohne dabei den tatsächlichen Transportverlauf zu ändern (Heinold und Meisel 2020). Diese Erkenntnis ist von großer Bedeutung für die Validität, Fairness und Akzeptanz von Öko-Labeln im Transportwesen.

 

Abbildung 1: Exemplarische Skala für Öko-Label im landgebundenen Güterverkehr in Europa.

Öko-Label Skala für den landgebundenen Güterverkehr

Das Öko-Label einer Sendung kann ermittelt werden, indem alle Teilstrecken des Transports berücksichtigt werden. Die Gesamtemissionen der Sendung werden dann mit einer Skala verglichen, die den Emissionswert der Sendung im Vergleich zu anderen Sendungen darstellt. Eine exemplarische Skala für den landgebundenen Güterverkehr wurde im Rahmen eines DFG-Projektes an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und der Martin-Luther-Universität in Halle-Wittenberg entwickelt (Kirschstein et al. 2022). In der vorgeschlagenen Skala werden Öko-Label anhand des Verhältnisses von Emissionen, gemessen in Gramm CO2-Äquivalenten (gCO2e), zur Verkehrsleistung, gemessen in Tonnenkilometern (ton•km) oder Palettenkilometern (pal•km), abgeleitet (siehe Abbildung 1). Zum Beispiel erhält eine Sendung das Label „A“, wenn ihr Transport weniger als 10 Gramm CO2-Äquivalente pro Tonne und Kilometer verursacht, während das Label „E“ Sendungen zugeordnet wird, deren Transport mehr als 52 CO2-Äquivalente pro Tonne und Kilometer verursacht. Da transportierte Güter sehr unterschiedlich sein können, wie zum Beispiel Stahl im Vergleich zu Wolle, wurden verschiedene Skalen betrachtet. Für besonders schwere Güter ist eine gewichtsbasierte Skala (links in Abbildung 1) sinnvoll, während für voluminöse Güter eine Skala basierend auf der Anzahl der benötigten Paletten angemessen ist (rechts in Abbildung 1).

 

Chancen und Risiken

Öko-Label bieten die Möglichkeit, den ökologischen Fußabdruck von Sendungen standardisiert darzustellen. Kunden können ihre ökologischen Präferenzen kommunizieren, während Logistikunternehmen ihre ökologischen Fähigkeiten zeigen können, um so einen Wettbewerbsvorteil zu erzielen. Da der Schienenverkehr oft geringere Emissionen verursacht als der Straßenverkehr, könnte dies positive Auswirkungen auf den Schienensektor haben. Auch könnten Zielkonflikte dargestellt werden; beispielsweise, wenn das grüne Label nur mit einem deutlich längeren Transport erreicht werden kann. Öko-Label dienen somit nicht nur der Orientierung, sondern haben auch eine Lenkungswirkung in einem komplexen Umfeld. Diese Form der Transparenz kann insgesamt zu nachhaltigeren Logistiklösungen führen.

Neben Emissionen könnten auch weitere ökologische Kennzahlen in Öko-Label-Skalen integriert werden, wie beispielsweise der Feinstaubausstoß oder die zurückgelegte Gesamtkilometerzahl. Eine Skala mit mehreren Kennzahlen kann Schwachstellen einzelner Kennzahlen ausgleichen. Jedoch gibt es derzeit keine allgemeingültige Skala für die ökologische Wirkung einer Sendung, an der sich Kunden oder Unternehmen in der Logistikbranche orientieren können. Es besteht die Gefahr, dass sich auf dem Markt mehrere Label etablieren, die auf unterschiedlichen Methoden und Kennzahlen basieren, was die Orientierung für Kunden erschweren würde. Regulatorische Instanzen könnten hierbei unterstützen.

Die Skala von Öko-Labeln bezieht sich auch auf den aktuellen Stand der Technologie und muss kontinuierlich angepasst werden. Wenn diese Anpassung zu spät erfolgt, können Öko-Label nicht die gewünschte Lenkungswirkung erzielen. Dies ist besonders wichtig, da der Logistiksektor vor großen technologischen Veränderungen steht, wie beispielsweise dem Umstieg auf Elektromobilität. Ein weiteres Risiko für Unternehmen besteht in der bereits heute hohen Komplexität bei der Ermittlung optimaler Transportpläne. Die Hinzufügung von Präferenzen bezüglich des Öko-Labels von Sendungen erweitert diese Entscheidungsebene zusätzlich. Dies erfordert den Einsatz noch leistungsfähigerer Algorithmen.

Trotz der genannten Risiken ist die Einführung von Öko-Labeln eine moderne Lösung für die Herausforderungen der Logistikbranche, die sich im Spannungsfeld zwischen Ökonomie und Ökologie befindet.

 

 

Quellen

Heinold, A.: Emission-oriented management of land-based freight transportation. Dissertation. (2022). Verfügbar unter: https://macau.uni-kiel.de/receive/macau_mods_00002873.

Heinold, A., Meisel, F.: Emission Limits and Emission Allocation Schemes in Intermodal Transportation, Transportation Research Part E. (2020), 141, 101963.

Kirschstein, T., Heinold, A., Behnke, M., Meisel, F., Bierwirth, C.: Eco-Labeling of Freight Transport Services: Design, Evaluation and Research Directions, Journal of Industrial Ecology. (2022), 26:3, 801–814.

 

Autorenangaben

Prof. Dr. Arne Heinold, Jahrgang 1988, ist Professor für Transport an der Kühne Logistics University in Hamburg. Seine Promotion hat er im Jahr 2022 an der Professur für Supply Chain Management an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel abgeschlossen.

Seine Forschung konzentriert sich auf Green Logistics und Methoden zur (optimalen) Lösung komplexer Transportprobleme. Seine Forschungsergebnisse wurden in internationalen Fachzeitschriften veröffentlicht und mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Wissenschaftspreis Logistik 2022 von der Bundesvereinigung Logistik e. V. 

Vor seiner Promotion hat er Praxiserfahrung in der Logistikbranche gesammelt, was sich auf sein Interesse, einen Transfer zwischen Forschung und Praxis herzustellen, auswirkt.

Seit 2022 ist er als Dozent an der Business School tätig.